Zukunft der Arbeit: Welche Fähigkeiten jetzt über Beschäftigungssicherheit entscheiden
Von Heidi Steinberger
Die Arbeitswelt befindet sich in einer der tiefgreifendsten Veränderungsphasen der letzten Jahrzehnte. Digitalisierung, Automatisierung und insbesondere die Entwicklungen im Bereich der künstlichen Intelligenz beschleunigen Transformationen, die sowohl Unternehmen als auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer vor neue Herausforderungen stellen.
In der täglichen Beratung erleben wir, wie groß die Verunsicherung geworden ist. Viele Menschen fragen sich, ob ihre Position in dieser Form bestehen bleibt, ob ihre Kompetenzen künftig noch gefragt sind oder ob sie den Anschluss verlieren könnten.
Diese Sorgen sind nachvollziehbar – und sie sind ernst zu nehmen.
Gleichzeitig zeigt sich aber auch deutlich: Nicht die Technologie bestimmt über Beschäftigungssicherheit, sondern unsere Fähigkeit, uns in dieser neuen Arbeitswelt zu bewegen.
1. Beschäftigungssicherheit entsteht nicht mehr durch Wissen – sondern durch Fähigkeiten
Fachwissen bleibt wichtig. Doch es verliert seine Stabilität: Inhalte, Methoden und Tools verändern sich rasant.
Was bleibt, sind Kompetenzen, die nicht automatisierbar sind und die menschliche Arbeitskraft wertvoll machen.
Zu den zentralen Zukunftsfähigkeiten gehören:
Selbstreflexion und Bewusstheit über die eigenen Stärken
Wer versteht, was er oder sie wirklich gut kann, kann diese Stärken auch in neue Rollen, Branchen oder Themenfelder übertragen.
Jobtitel verändern sich – Kompetenzen bleiben.
Lernfähigkeit und Anpassungsbereitschaft
Die Bereitschaft, sich weiterzuentwickeln, wird zum entscheidenden Faktor beruflicher Stabilität.
Es geht nicht darum, „alles zu können“ – es geht darum, offen zu sein.
Kommunikations- und Beziehungskompetenz
In einer digitalisierten Arbeitswelt wird menschliche Interaktion zur Differenzierungsgröße.
Ob Führung, Zusammenarbeit, Beratung oder Kundenkontakt: Kommunikation bleibt Kernkompetenz.
Problemlösung und Entscheidungsstärke
KI liefert Informationen und Vorschläge – aber Entscheidungen müssen Menschen treffen.
Je komplexer die Arbeitswelt wird, desto wichtiger ist die Fähigkeit, Situationen einzuordnen und Lösungen zu entwickeln.
2. Warum diese Fähigkeiten jetzt wichtiger sind als je zuvor
Viele Tätigkeiten, die über Jahrzehnte stabil waren, verändern sich.
Routineaufgaben werden automatisiert, digitale Prozesse übernehmen wiederkehrende Abläufe, neue Technologien stellen gewohnte Arbeitsweisen infrage.
Doch genau dadurch entsteht ein neuer Raum:
Ein Raum für Aufgaben, die Kreativität, Analyse, Empathie und Verantwortung erfordern.
Ein Raum für Berufe, deren Bedeutung wächst.
In diesem Raum entscheidet nicht der bisherige Lebenslauf über die Zukunft –
sondern die Bereitschaft, eigene Kompetenzen neu zu denken.
Ein Beispiel aus der Praxis
Ein Industriebetrieb, der früher fünf Mitarbeitende für manuelle Qualitätskontrollen beschäftigte, nutzt heute KI-gestützte Bilderkennung. Die Anzahl der Prüfungen hat sich erhöht – die manuelle Tätigkeit jedoch reduziert.
Anstatt Stellen abzubauen, wurden die Aufgaben verlagert:
- Eine Mitarbeiterin mit starkem Prozessverständnis wurde zur „Smart Quality Coordinator“, die die KI-Systeme überwacht, Fehlerbilder bewertet und Verbesserungen im Prozess anstößt.
- Ein anderer Mitarbeiter entwickelte sich zum „Predictive Maintenance Assistant“, weil er über Jahre ein gutes Gespür für Maschinenzustände entwickelt hatte.
- Eine Kollegin, die kommunikativ stark ist, übernahm die Schnittstelle zwischen Produktion, Instandhaltung und IT.
Keiner dieser Mitarbeitenden wurde durch KI ersetzt.
Aber alle drei übernahmen neue Rollen – weil ihre Fähigkeiten sichtbar wurden und weil sie bereit waren, sich weiterzuentwickeln.
Dieses Beispiel zeigt:
Es sind nicht zwingend die Tätigkeiten, die „verschwinden“ – es sind die Rollen, die sich verändern.
Wer seine Kompetenzen kennt, bleibt anschlussfähig.
3. Was Menschen heute in der Karriereberatung bewegt
In Gesprächen mit Coachees und Jobsuchenden hören wir in der Karriereberatung von drei zentralen Sorgen, die Menschen in beruflichen Veränderungsphasen äußern:
- „Ich weiß nicht, ob meine Fähigkeiten in Zukunft ausreichen.“
Viele unterschätzen, was sie können – oder sie setzen ihre Stärken ausschließlich mit ihrer bisherigen Position gleich.
- „Ich fühle mich von der Geschwindigkeit der Veränderungen überfordert.“
Technologie entwickelt sich exponentiell, das eigene Lernen oft nicht.
- „Ich habe Angst, beruflich an Bedeutung zu verlieren.“
Diese Sorge zieht sich durch alle Altersgruppen.
Gefühle dieser Art sind kein Zeichen von Schwäche, sondern eine nachvollziehbare Reaktion auf eine Welt im rasanten Wandel.
Gerade hier setzt professionelle Karriereberatung an: Sie schafft Orientierung, stärkt Selbstwirksamkeit und eröffnet neue Perspektiven.
4. Wie Beratung in Zeiten des Wandels Orientierung geben kann
Die Aufgabe von Karriereberaterinnen und Karriereberatern verändert sich – und sie wird gleichzeitig wichtiger.
Wir beobachten vier wirkungsvolle Hebel:
- Kompetenzklärung
Menschen erkennen oft erst im Dialog, wie vielfältig ihr Kompetenzprofil wirklich ist.
- Perspektiventwicklung
Beratung unterstützt dabei, neue Rollen, Branchen und berufliche Wege zu identifizieren.
- Stärkung der Lern- und Veränderungsbereitschaft
Unsicherheit kann in Gestaltungskraft verwandelt werden – mit der richtigen Begleitung.
- Entscheidungsfähigkeit fördern
Veränderung braucht Klarheit. Karriereberatung schafft genau diese Klarheit.
5. Mein Fazit: Die Zukunft der Arbeit wird menschlicher – nicht technischer
Der technologische Fortschritt stellt uns vor Herausforderungen.
Aber er eröffnet auch neue Chancen, die wir nur erkennen, wenn wir bereit sind, unsere Kompetenzen neu zu ordnen und unseren beruflichen Weg aktiv zu gestalten.
Beschäftigungssicherheit entsteht heute nicht durch das Festhalten an bestehenden Strukturen, sondern durch die Fähigkeit, sich in neuen Strukturen souverän zu bewegen.
Die DGfK wird diesen Wandel weiterhin begleiten – mit Kompetenz, Haltung und der Überzeugung, dass berufliche Entwicklung ein lebenslanger Prozess ist, der Menschen stärkt und befähigt.
Autoreninformation
Heidi Steinberger ist Personalberaterin, Karriereberaterin und Vorstandsvorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Karriereberatung e.V. (DGfK). Seit über 30 Jahren begleitet sie Fach- und Führungskräfte in beruflichen Veränderungsprozessen, unterstützt Unternehmen in der Suche von Arbeitskräften durch Direktansprache und setzt sich für die Professionalisierung der Karriereberatung in Deutschland ein.
