Der Moment nach dem Höhepunkt
Jahrelang arbeitet man auf ein großes Ziel hin – sei es die Beförderung in eine Führungsposition, der erfolgreiche Abschluss eines komplexen Projekts oder der Aufbau eines eigenen Unternehmens. Doch kaum ist das Ziel erreicht, stellt sich nicht selten ein Gefühl der Leere ein. Anstelle der erwarteten Euphorie folgt eine Phase der Orientierungslosigkeit. Was nun? Wofür aufstehen, wenn das große Ziel, das so lange den Alltag bestimmt hat, plötzlich wegfällt? Dieses Phänomen ist als Post-Achievement-Leere oder Post-Erfolgs-Depression bekannt. Es betrifft nicht nur Spitzensportler, sondern auch Führungskräfte, Unternehmer und ambitionierte Fachkräfte, die über Jahre auf einen bestimmten Meilenstein hingearbeitet haben. Die Herausforderung besteht nun darin, neue Ziele zu definieren – und vor allem die Energie aufzubringen, sie mit derselben Begeisterung zu verfolgen.Warum fällt es so schwer, nach einem großen Erfolg neue Ziele zu setzen?
Wenn ein bedeutender beruflicher Erfolg erreicht ist, entsteht oft ein Vakuum. Dafür gibt es mehrere Gründe:- Identitätsverlust: Wer sich über Jahre stark mit einer Position, einem Projekt oder einer Karriereentwicklung identifiziert hat, kann nach dessen Abschluss das Gefühl bekommen, dass ein Teil der eigenen Identität fehlt.
- Dopamin-Abfall: Der Weg zum Ziel war von Motivation, Herausforderungen und Belohnungen geprägt. Ist das Ziel erreicht, fehlt die tägliche Dosis Dopamin – das „Motivationshormon“.
- Fehlende äußere Struktur: Während eines ambitionierten Karriereweges gibt es klare Strukturen, Deadlines und Feedbackmechanismen. Ist das Ziel erreicht, muss diese Struktur neu geschaffen werden.
- „War das schon alles?“-Gefühl: Manche Menschen hinterfragen nach großen Erfolgen, ob der Einsatz es wert war oder was nun noch kommen kann, das ebenso erfüllend ist.
Wie lassen sich neue Ziele identifizieren?
Der Schlüssel, um aus diesem Zustand herauszukommen, liegt nicht nur im nächsten Karriereziel, sondern in einer bewussten Reflexion und Neuausrichtung. Hier sind einige Ansätze:- Eigene Werte und intrinsische Motivation hinterfragen
Anstatt sich sofort in das nächste große Projekt zu stürzen, hilft es, innezuhalten und sich zu fragen:
- Was hat mich an meinem bisherigen Ziel wirklich motiviert?
- Welche Aspekte meines Erfolges haben mir die größte Zufriedenheit gegeben?
- Welche Werte sind mir im Berufsleben am wichtigsten?
- Ein Spektrum an Karrierezielen aufbauen
Oft fixieren wir uns auf ein einziges großes Ziel. Nachhaltiger ist es, ein breites Spektrum an Zielen zu haben:
- Kurzfristige Ziele: Kleine, erreichbare Herausforderungen, die schnell Erfolgserlebnisse bringen, z. B. die Weiterentwicklung einer bestimmten Fähigkeit oder der Aufbau eines neuen Netzwerks.
- Mittelfristige Ziele: Projekte oder Weiterentwicklungen, die über Monate hinweg motivieren, z. B. eine neue Position anstreben oder ein wichtiges berufliches Netzwerk ausbauen.
- Langfristige Ziele: Visionen für die nächsten Jahre, die eine größere Richtung vorgeben, z. B. die strategische Entwicklung der eigenen Karriere oder der Aufbau einer eigenen Unternehmung.
- Den Fokus auf persönliches Wachstum legen
Anstatt das nächste messbare Karriereziel zu suchen, kann es sinnvoll sein, den eigenen Entwicklungspfad in den Mittelpunkt zu stellen:
- Welche Fähigkeiten möchte ich weiterentwickeln?
- Welche neuen Herausforderungen reizen mich?
- Welche beruflichen Rollen kann ich aus einer neuen Perspektive betrachten?
- Den Sinn in neuen Aufgaben erkennen Manchmal liegt die nächste erfüllende Aufgabe nicht in einem weiteren Aufstieg, sondern in neuen Facetten des Berufslebens – sei es Mentoring, Wissenstransfer oder der Einstieg in ein neues Themengebiet.
- Ein neues Energie-Level aufbauen
Nach einer intensiven Karrierephase ist es normal, dass die Energiereserven aufgebraucht sind. Bevor neue Ziele mit voller Kraft angegangen werden, ist es essenziell:
- Sich bewusst Zeit für Erholung und Regeneration zu nehmen.
- Körperlich und mental neue Energiequellen zu erschließen (z. B. durch Sport, Meditation, Weiterbildung).
- Nicht aus einem Gefühl der Leere heraus zu handeln, sondern aus einer wiedergewonnenen inneren Stärke.
Fazit: Erfolg als Prozess, nicht als Endpunkt
Nach einem großen Karrieremeilenstein in ein Loch zu fallen, ist kein Zeichen von Schwäche, sondern ein natürlicher Prozess. Die entscheidende Frage ist: Was kann aus dieser Phase erwachsen? Wer sich bewusst Zeit für Reflexion nimmt, sich mit seinen intrinsischen Werten auseinandersetzt und neue Perspektiven einnimmt, wird nicht nur neue Ziele finden – sondern auch mit neuer Energie an sie herangehen.Autoreninformation
Heidi Steinberger ist langjähriges Mitglied der DGfK – Deutsche Gesellschaft für Karriereberatung e.V., LinkedIn Top Voice und Xing Insiderin. Sie unterstützt als Personalberaterin, Karriere-Coachin und Expertin für Potenzialermittlung Menschen dabei, ihre Stärken zu erkennen und erfolgreich ihre beruflichen Ziele zu erreichen.