Jobs der Zukunft
Ein Interview von unserem Mitglied Doris Brenner mit Hartwin Maas
Durch einen Beitrag bin ich auf Hartwin Maas, Zukunftsforscher und Mitbegründer des Instituts für Generationenforschung (www.generation-thinking.de) gestoßen, in dem er die These aufstellte, dass von den heute geborenen Kindern, 65% in Jobs arbeiten werden, die es heute noch nicht gibt. Diese Prognose ist insbesondere für die Karriereberatung von hoher Relevanz, wenn wir unsere Kunden auch auf dem Weg in den zukünftigen Arbeitsmarkt kompetent begleiten wollen.
Doris Brenner: Herr Maas, Sie stellen die These auf, dass von den heute geborenen Kindern 65% in Jobs arbeiten werden, die es heute noch nicht gibt? Wie kommen Sie zu dieser Aussage?
Hartwin Maas: In den letzten zwanzig Jahren haben sich schon sehr viele neue Jobs entwickelt und Tätigkeitsprofile stark geändert. Beispielsweise, neben Modifizierungen in den Ausbildungsberufen gibt es seitdem ca. 24 Neue. In den nächsten 25 Jahren werden neue Berufsfelder entstehen, die durch technologische, ökologische, demografische und gesellschaftliche Veränderungen angetrieben werden. Technologische Veränderung passiert nicht mehr linear, sondern exponentiell. Bis 2050 werden Berufe verschwinden und 65 % der heute geborenen Kinder könnten in der Tat in Jobs arbeiten, die noch gar nicht existieren.
Ich kann jedoch die Angst vor KI als Jobvernichter nehmen, denn KI wird einzelne Aufgaben übernehmen, nicht aber einen ganzen Beruf. Letztendlich werden durch Automatisierung und KI in sämtlichen Bereichen bis 2030 deutlich mehr Jobs geschaffen als vernichtet. Es wird ein Nettobeschäftigungszuwachs von 7 % geben.
Doris Brenner: Welche Jobs werden das sein?
Hartwin Maas: Neue Berufsfelder sind oft eine Verkettung von vielen Änderungen. Sie entstehen beispielsweise durch den Klimawandel im Nachhaltigkeitsbereich. Es wird neue Berufe in der Kreislaufwirtschaft, neue Formen der Landwirtschaft oder im Kohlenstoffhandel geben. Durch die alternde Bevölkerung und die damit einhergehende Zunahme altersbedingter Krankheiten werden Berufe in der Biotechnologie, Bioinformatik für personalisierte Medizin, Klontechnologie oder Longevity Coaches gefragt werden. Zurzeit fließen viele Gelder in die Weltraumtechnologie, hier könnte es neue Berufsfelder bzgl. Mond- und Marsmissionen geben. Die Anwendung von KI-Systemen, Robotik und Automatisierung in allen Bereichen könnte Berufsfelder wie Digital Twin Designer, KI Trainer, Ethik-Auditor für KI ergeben.
Doris Brenner: Was werden aus Ihrer Sicht die zentralen Anforderungen dieser zukünftigen Jobs sein?
Hartwin Maas: Die Anforderungen an bereichsübergreifendes Handeln und die Kommunikation auf unterschiedlichen Kanälen werden weiter zunehmen. In vielen Bereichen ist eine zunehmende Komplexität und Parallelisierung der Aufgaben zu beobachten. „KI-Kompetenzen“ werden als wünschenswerte Zusatzqualifikation betrachtet werden. Dabei geht es nicht nur um die stumpfe Anwendung, sondern eine Technik einzusetzen für effektives Arbeiten auf höherem Niveau. Hierbei ist insbesondere der Begriff der „Digital Literacy“ zu nennen: Die Fähigkeit, in unterschiedlichen digitalen Schriftquellen Zusammenhänge zu erkennen, diese zu verstehen, zu interpretieren und sinnvoll für sich zu nutzen. Hinzu kommen weitere Fähigkeiten, wie jene, Veränderungen wahrzunehmen und zu bewältigen, oder die Ambiguitätstoleranz, d. h. die Fähigkeit, mit Ungewissheiten und Widersprüchen konstruktiv umzugehen. Auch Selbstorganisation und kritisches Denken werden zunehmend relevanter werden.
Doris Brenner: Wie können sich heutige Arbeitnehmer am besten auf diese zukünftigen Anforderungen vorbereiten bzw. weiterbilden?
Hartwin Maas: Die Anpassungsfähigkeit der Arbeitnehmer an technologische Veränderungen wird entscheidend sein. Die Anzahl an Menschen, die sich nun zwangsläufig fortbilden muss, wird erheblich mehr werden. Das Konzept des lebenslangen Lernens und Upskilling wird mehr als ein Trend sein. Upskilling ist entscheidend für den Erfolg. Es hilft nicht nur den eigentlichen Job besser zu machen, sondern auch relevanter und wettbewerbsfähig in einem anspruchsvollen Arbeitsmarkt zu bleiben und sich zu bemühen, mit der anhaltenden und rasanten technologischen Revolution Schritt zu halten. Zurzeit trifft es vor allem die Älteren. Deshalb rate ich Unternehmen verstärkt in die älteren Generationen zu investieren.
Doris Brenner: Sehen Sie internationale Unterschiede im Hinblick auf die zukünftige Jobs? Und wenn ja, wo werden in Deutschland bzw. Europa die Schwerpunkte liegen?
Hartwin Maas: In den Jobs sehe ich nicht unbedingt internationale Unterschiede, eher im Datenverständnis, in der Flexibilität und Haltung zur Arbeit. In anderen Ländern, wie Ägypten, Indien, Ruanda scheinen beispielsweise Nachwuchskräfte durchaus ambitionierter zu sein und nutzen die technologischen Entwicklungen als Chance. Die breite KI-Nutzung ändert auch die Jobqualifikationen. In Indien und USA beispielsweise fragen Arbeitgeber zunehmend mehr nach den Fähigkeiten als nach dem Abschluss. In Deutschland wird uns die Überakademisierung auch auf die Füße fallen, da der akademische Abschluss an Aussagekraft und Ansehen verliert. Obwohl Deutschland bei technologischen, ökologischen, demografischen und gesellschaftlichen Veränderungen träge oder zumindest zurückhaltend zu sein scheint, ist es noch die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt nach den USA und China und die größte in Europa.
Wir sind nach wie vor Spitzenreiter in der KI-Grundlagenforschung, Quantencomputing und Lasertechnik, dies sollte forciert werden und Forschung und Wirtschaft mehr verzahnt werden, damit es auch in Zukunft ein Schwerpunkt bleibt. In der Anzahl der Datenzentren ist Deutschland weltweit auf Platz zwei. Zudem verfügt Deutschland über die meisten Hidden Champions, wie im Bereich Spezialmaschinenbau, Klimatechnik, Druckluftsysteme, Landmaschinen, Gartengeräte und vieles mehr, die in ihrer Nische oft unbemerkt, aber global führend sind.
Doris Brenner: Herr Maas haben Sie vielen Dank für dieses Interview und Ihre Einschätzung.
Autoreninformation
Doris Brenner ist Wirtschaftswissenschaftlerin mit langjähriger Erfahrung in Fach- und Führungspositionen in der Industrie. Als Karriereberaterin und systemischer Coach hat sie u.a. zahlreiche (Nachwuchs)-Wissenschaftler in Karriereentscheidungen unterstützt und begleitet. Doris Brenner ist Initiatorin und Gründungsvorstand der DGfK Deutsche Gesellschaft für Karriereberatung e.V.
