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Karriereberatung hilft, mit den eigenen Antreibern konstruktiv umzugehen

Von Oliver Braust

Glaubenssätze hat jeder von uns. Wir haben sie von unserem sozialen Umfeld mitbekommen. „Wenn man eine Arbeit macht, dann macht man sie richtig!“ oder „Wenn man etwas beginnt, dann bringt man es auch zu Ende!“ sind typische Glaubenssätze. Es sind tief verankerte Annahmen über uns und die Welt. Sie können auch positiver oder negativer Natur sein: Etwa, wenn ich nach dem Glaubenssatz lebe „Wenn man lange genug übt, kann man alles erreichen!“. Oder – negativ: „Das haben wir in unserer Familie noch nie geschafft!“.

Der Ursprung unserer Glaubenssätze liegt meist in der Kindheit: Eltern oder andere prägende Personen lebten uns ihre Glaubenssätze vor. Egal, ob diese ausgesprochen wurden oder nur vorgelebt. In jungen Jahren waren uns Glaubenssätze eine gute Orientierung und Hilfe, um Situationen, Aufgaben oder Problemstellungen zu meistern. Auch im Arbeitsleben machen uns Glaubenssätze oft erfolgreich. Mit den Jahren im Beruf können diese Glaubenssätze jedoch eine stärkere oder extremere Ausprägung erhalten. Und uns mehr und mehr stressen. Diese negativen Ausprägungen nennt man „Antreiber“.

Immer häufiger kommen Menschen mit Stresssymptomen und Burnout-Erfahrungen in die Karriereberatung. Dies ist zum einen sicherlich der mit höherem Alter abnehmenden Belastbarkeit sowie des gestiegenen Drucks und der Dynamik der Arbeitswelt geschuldet. Zum anderen aber auch dem Umstand, dass ein oder mehrere Glaubenssätze sich in diesem Kontext in Antreiber verwandelt haben und damit unseren Arbeitsstress erhöhen.

Im Rahmen von Karriere- und Outplacementberatungen erarbeiten Karriereberater:innen mit ihren Klient:innen zum Thema „Selbstklärung“ oft Antworten auf folgende Fragen:

  • Was bin ich für ein Mensch im Arbeitsleben?
  • Welcher Persönlichkeitstyp bin ich generell?
  • Mit welchen Menschentypen komme ich im Arbeitskontext gut zurecht, mit welchen weniger gut?
  • Wie kann ich mit meiner diesbezüglichen Erkenntnis künftig umgehen?
  • Welche Bedingungen brauche ich im Job, um gut, wirksam und entspannt zu sein?

Hierzu ist es sinnvoll, sich die eigenen Antreiber einmal genauer anzuschauen, um deren negative Auswirkungen ggf. einzudämmen.

Im Rahmen unseres letzten DGfK-Treffens im Februar 2023 in Hamburg diskutierten die Karriereberater:innen unseres Verbandes lebhaft darüber, wie Glaubenssätze unser Denken und Handeln – und auch unsere Beratung – beeinflussen. Und natürlich – ob und wie wir damit in der Beratung und im Coaching arbeiten. In den sehr unterschiedlichen Auffassungen und Arbeitsweisen, mit denen unsere Berater:innen mit Glaubenssätzen / Antreibern umgehen, wurde die große Bandbreite der Ansätze und Expertise offenbar. Manche von uns arbeiten in der Karriereberatung mit den Glaubenssätzen der Klienten, manche nur im Coaching. Einige verwenden spezielle Tools und andere thematisieren es im Rahmen der Gespräche.

Einig waren wir uns darin, dass wir Karriereberater:innen immer auch unsere eigenen Glaubenssätze mit in die Beratungen und Coachings einbringen. Karriereberater:innen sollten sich im Rahmen ihrer Karriereberatungen auch immer wieder die eigenen Glaubenssätze bewusst machen, um sich und ihren Klient:innen / Coachees gerecht zu werden. Da ist es gut zu wissen, in welchen Konstellationen man quasi ein „Arbeitsfeld“ hat, also immer mal wieder hinschauen und gegensteuern sollte.

Klient:innen und Coachees helfen Erkenntnisse über die eigenen Glaubenssätze und Antreiber, um in ihrer aktuellen beruflichen Position etwas zum Positiven zu verändern. Oder beim Start in einen neuen Job die Chance zu ergreifen, ein wenig anders als bisher zu agieren, um sich auf Dauer nicht mehr so zu stressen.

Denn auch das kann Karriereberatung bewirken.

Autoreninformation

Oliver Braust ist Mitglied der DGfK, Karrierecoach und Outplacementberater. Außerdem berät er Unternehmen zum Thema „Mitarbeiterbindung“.

Waldbaden als Methode in der Karriereberatung sinnvoll einsetzen

Von Silke Rusch

Was ist Waldbaden bzw. Shinrin Yoku?

Als mir das Thema vor einigen Jahren in meiner Funktion als Hochschuldozentin begegnete, habe ich schnell gemerkt, dass es ein Puzzleteil für meine Arbeit als Beraterin und Coach werden kann. Ich lies mich zur Veranstaltungsleiterin für Shinrin Yoku/Waldbaden zertifizieren und integriere die Methode seitdem in meine Coachings und Beratungen, wenn es zum Klienten und zum Thema passt. Und das ist viel häufiger der Fall, als man vermuten könnte.

Wörtlich übersetzt bedeutet Shinrin Yoku „in die Atmosphäre des Waldes eintauchen“. Der japanische Professor Yoshifumi Miyazaki verweist auf Untersuchungen, die belegen, dass Waldbaden hilft, Stress abzubauen, nach überstandener Erkrankung zu genesen, einen ausgeglichenen Blutdruck zu bekommen, die Konzentration zu verbessern und vieles mehr. Beim Waldbaden tauchen wir absichtslos ein in die Atmosphäre des Waldes. Wir nehmen mit allen Sinnen achtsam, bewusst und ohne zu bewerten wahr, was gerade ist und lassen es auf uns wirken. Wichtige Elemente sind dabei Entschleunigung, Stille, Schweigen, sich seiner Sinne bewusst sein. Ein Waldbad ist daher mehr als ein Spaziergang.

Ein Waldbad besteht aus mehreren Phasen. 

Für jede dieser Phasen gibt es spezielle Übungen. Zwischen Ankommen und Abschluss ist der Ablauf beliebig und auch zeitlich flexibel. 

  • Bewusstes Ankommen
  • Atemübung
  • Körperliche Entspannung
  • Zeit nehmen
  • Schweigen
  • Fokus auf einzelne Sinne
  • Entschleunigung
  • Solozeit
  • Bewusster Abschluss

Um die optimale gesundheitliche Wirkung (Einatmen der wirksamen Botenstoffe der Bäume, z.B. Terpene) zu erzielen, sollte ein Waldbad mindestens zwei, besser drei Stunden umfassen. 

Waldbaden in der Karriereberatung. Ein Fallbeispiel.

Der Wald ist ein komplexes System, das mit Herausforderungen umgeht und versucht zu überleben. Darin gleicht der Wald unserem beruflichen Alltag. 

Meine Klientin Tina ist Mitte 40 und kommt in die Beratung mit dem Ziel, eine Karriereentscheidung bewusst fällen zu wollen. Sie ist aktuell unzufrieden im Job, möchte einen neuen Weg einschlagen, weiß jedoch noch nicht genau, wie dieser aussehen wird. Nach einigen Stunden Beratung und der Auseinandersetzung mit ihren Stärken, Kompetenzen und Wünschen ist das Bild schon etwas klarer geworden. Doch wie findet sie nun die passende Aufgabe, wo soll die Reise hingehen? Soll sie das interne Angebot des Aufstiegs annehmen oder doch eher dem leise in ihr erklingenden Ruf nach externer Veränderung folgen?

Wir verabreden uns zum Waldbaden. Ich erläutere ihr den Ablauf und fordere sie auf, sich ihr zentrales Anliegen immer wieder bewusst zu machen und einfach mal ohne Erwartung wahrzunehmen, was der Wald ihr anbietet. Wie nah einige Bäume zusammenstehen, wie fein ziseliert ein Blatt ist, aus wie vielen unterschiedlichen Bäumen eine Baumgruppe besteht, die verschiedenen Grüntöne in der Ferne usw… Tina assoziiert dies auf ihre Situation und wir nähern uns in den jeweiligen Reflexionen zur Übung dem Kern ihrer Frage. Wir nehmen uns Zeit und erzwingen nichts. Plötzlich sieht sie im Wald viele Elemente des gegenseitigen Helfens, des Miteinanders, des Vernetzens. In der Reflexion wird ihr bewusst, dass sie selbst sich viel zu wenig helfen lässt. Zwar ist sie in ihrem Unternehmen gut vernetzt, schätzt den hauptsächlich fachlichen Austausch mit Kollegen, hat jedoch über die Jahre den Kontakt zu ehemaligen Wegbegleitern und Nahestehenden vernachlässigt. Es fallen ihr beim achtsamen Schlendern nach und nach wieder Menschen ein, die sie in ihrer Studienzeit und bei den ersten beruflichen Stationen kennengelernt hat. Wir schreiben die Namen auf und notieren ein Stichwort zur Art der Verbindung. Sie nimmt sich nach unserem Waldbad primär vor, die alten Kontakte, das alte Hilfenetzwerk von früher wieder zu aktivieren. Zuversichtlich, dass dies der richtige Ansatz ist, verabschieden wir uns.

Ein paar Wochen später berichtet Tina im Beratungsgespräch, dass sie sich mit ehemaligen Studienkolleginnen getroffen hat. Basierend auf dem Wissen um ihre Stärken, Kompetenzen und Wünsche konnte Tina die anderen ganz gezielt fragen, wo diese sie sehen würden, was sie in ihr früher gesehen haben, wie sie sie heute wahrnehmen. Eine aus der Runde rief sie kurz nach dem Wiedersehen an und berichtete ihr von einer freien Stelle in ihrem Unternehmen. Eine Position, die perfekt passt. Mutig, neugierig und zuversichtlich tritt Tina diese Aufgabe nun an. Das Waldbad hat sie in der Erkenntnis bestärkt, dass andere sie unterstützen wollen, dass sie sie ein Stück weit tragen können. Dass sie sie so annehmen, wie sie ist. 

Fazit

Karriereberatung mit Waldbaden heißt für mich, den Klienten neue Möglichkeiten aufzuzeigen, individuell mit ihren Themen umzugehen, sich den Assoziationen aus der Natur zu öffnen und sich selbst als Teil der Natur wahrzunehmen. Und ganz nebenbei lernen die Klienten eine neue Entspannungsmethode kennen, die sie in ihrem Alltag einsetzen können. 

Autoreninformation

Silke Rusch ist Mitglied der DGfK und Inhaberin von Rusch Consulting & Coaching, einem Anbieter für ganzheitliche Beratung und Begleitung in beruflichen Veränderungssituationen.